4 Die Werbesendung
Eine alte Idee, die immer noch so gut ist, dass sie sofort umgesetzt werden sollte: Die Werbesendung.
Werbung erfüllt heute eigentlich den Tatbestand der Gehirnwäsche. Mindestens den der Propaganda. Ja, ich weiß, ich habe schon bei der ersten Idee gegen Werbung gewettert... Aber das ist auch nötig! Lesen Sie weiter!
Versprochen wird preiswerte Ware, die glücklich macht. Nebenwirkungen werden nicht genannt, dabei ist der ungebremste Konsum für viele Probleme der Menschheit mitverantwortlich und bei fast allen zumindest indirekt beteiligt. Werbung ist der Dealer des Konsums, der Wirtschaft, der Trends. Globale Ungerechtigkeiten (die Polarisierungen zwischen Industrieländern und „Entwicklungsländern“), Energieverbrauch (der zu Umweltzerstörungen -Klimaveränderungen- und damit zu Lebensraumvernichtung und sogar zu Kriegen führt) und viele andere weltweite Probleme wären lösbar, wenn nicht wirtschaftliche Interessen dahinterstehen, die von Konsumenten mitgetragen werden, die das in den meisten Fällen gar nicht wissen und persönlich ablehnen würden. Ob eine bessere Welt möglich ist, werden wir nicht erfahren, wenn wir das Tabu nicht durchbrechen, die Wirtschaft und ihre Aktivitäten so kritisch zu beurteilen, wie wir auch die Politik durch die Medien begleiten - es nützt da ja schon wenig genug.
Werbekampagnen sind Teil unseres Lebens. Wir nehmen sie wahr und unterhalten uns darüber, weit mehr als über Theaterinszenierungen oder Hörfunkprogramme, die in den Medien ausführlich besprochen werden. Jeder kennt „Geiz ist Geil“, kaum einer kann den Werbebeilagen mit den großen, doch vermeintlich billigen Preisen widerstehen. Wir lassen unser Fernsehprogramm von Werbung unterbrechen und wenn in einem Restaurant das Radio angeschaltet ist, kommt niemand auf die Idee, bei Werbeeinspielungen leiser zu drehen. Doch wann wird über Kampagnen berichtet? Wo wird Werbung als kulturelles Element verstanden und entsprechend besprochen?Wann wird kritisiert, der Wahrheitsgehalt von Werbeaussagen überprüft, die Aussage in Zusammenhang mit der Produktion des Produktes gestellt? Wo wird in journalistischer Qualität mit den Konkurrenten verglichen, wo findet Empörung ein Forum, wo kann Werbeinformation auch mal bestätigt werden?
Längst überfällig:
Die Werbesendung.
„Die Werbesendung“ wird ein regelmäßig gesendetes, aktuelles Format fester Länge im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Länge von 30 Minuten erscheint sinnvoll. Mittelpunkt jeder Sendung wird eine aktuelle Werbekampagne. Wir stellen die Kampagne, ihren Umfang (Printmedien, Werbespots, Außenwerbung) und ihre Macher vor, sammeln spontane Eindrücke bei „Konsumenten“(will sagen: ganz normalen Menschen) durch Umfragen oder bei Screenings, berichten über das beworbene Produkt und vergleichen mit Hilfe von Experten die Aussage der Kampagne mit dem tatsächlich zum Verkauf stehenden Produkt. Was will die Kampagne erreichen, was kann das beworbene Produkt überhaupt leisten?
Weiterhin beleuchten wir die gesellschaftliche Position und Relevanz des Produktes. Was für volkswirtschaftliche Folgen hat es zum Beispiel, wenn Konzerne wie Metro (SATURN, „Geiz ist geil“) beherrschende Marktpositionen gewinnen?
Wir vergleichen beworbene Produkte mit Artikeln der Konkurrenz bzw. „Mitbewerbern“ und berichten kritisch über die Produktionsvorgänge, insbesondere, wenn Produkte in Fernost oder anderen Niedriglohnländern hergestellt werden.
Wir wollen die Wirtschaft nicht per se verurteilen – auf gar keinen Fall. Wir alle sind Wirtschaft. Wir können auch gar nicht zwischen gut und böse unterscheiden. Keine Firma soll isoliert kritisiert werden, wenn ihre Kritik auch für die Mitbewerber gilt.
„Die Werbesendung“ soll aber Möglichkeiten bieten, bewusste Produktion und ehrliches Marketing zu belohnen – der Verbraucher soll schlicht die Mittel zur Hand haben, selbst zu entscheiden, was er kauft oder nicht, und sich äußern können, wenn durch Werbung manipuliert, polemisiert oder schlichtweg genervt wird.
Kann und darf es „Die Werbesendung“ geben?
Politische Pressefreiheit ist uns sehr wichtig und gilt als Grundvorraussetzungen moderner Demokratien – die Abhängigkeit der Medien von Werbezeit kaufender Industrie dagegen ist gesetzlich nirgendwo geregelt, für die gibt es auch wenig Problembewusstsein in der Gesellschaft. Wie auch? Es gibt keine starken und "lauten", von der Werbewirtschaft unabhängigen Institutionen. Wer soll denn ansprechen, dass die Medien mitnichten frei, sondern mit wenigen Ausnahmen auch von Werbekunden abhängig sind? Es gibt werbefreie Rundfunkkanäle und –sender, aber deren Stimmen sind ungleich leiser zu vernehmen als der werbefinanzierte Mainstream. Außerdem sind sie oft selbst durch ein kompliziertes Gefüge mit abhängigen Institutionen verbunden, auch ARTE und 3Sat beispielsweise mit den deutschen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die einen beträchtlichen Anteil ihres Budgets mit Werbeeinnahmen bestreiten. Auch die Politik ist von der Wirtschaft nicht unabhängig und nimmt Einfluss auf die Sender, obwohl deren Unabhängigkeit verfassungsrechtlich notwendig ist. Ich bin mir über diese Hintergründe bewusst. Trotzdem halte ich eine Sendung wie die hier umrissene für so notwendig und ihre Notwendigkeit auch für so einleuchtend, dass ich darauf hoffen darf, engagierte Redakteure, Politiker und Kreative zu finden, die ihre Umsetzung unterstützen.
Haben Sie gemerkt, dass ich diesen Text da nicht gerade eben live verfasst habe? Nein, ich habe ihn aus einem Exposé herauskopiert und rasch überarbeitet, das ich schon 2003 oder 2004 geschrieben habe. Ich sehe ja inzwischen gar nicht mehr fern und habe mich aus der täglichen Werbebeballerung ganz gut herausgezogen - aber das wäre mir immer noch ein Anliegen, für das ich zumindest eine Zeitlang den Wohnort wechseln und mich auf all die Kompromisse einlassen würde, die die Arbeit beim Fernsehen mit sich bringen würde. Redakteure: Rufen Sie mich an bzw. schreiben Sie mir!
Werbung erfüllt heute eigentlich den Tatbestand der Gehirnwäsche. Mindestens den der Propaganda. Ja, ich weiß, ich habe schon bei der ersten Idee gegen Werbung gewettert... Aber das ist auch nötig! Lesen Sie weiter!
Versprochen wird preiswerte Ware, die glücklich macht. Nebenwirkungen werden nicht genannt, dabei ist der ungebremste Konsum für viele Probleme der Menschheit mitverantwortlich und bei fast allen zumindest indirekt beteiligt. Werbung ist der Dealer des Konsums, der Wirtschaft, der Trends. Globale Ungerechtigkeiten (die Polarisierungen zwischen Industrieländern und „Entwicklungsländern“), Energieverbrauch (der zu Umweltzerstörungen -Klimaveränderungen- und damit zu Lebensraumvernichtung und sogar zu Kriegen führt) und viele andere weltweite Probleme wären lösbar, wenn nicht wirtschaftliche Interessen dahinterstehen, die von Konsumenten mitgetragen werden, die das in den meisten Fällen gar nicht wissen und persönlich ablehnen würden. Ob eine bessere Welt möglich ist, werden wir nicht erfahren, wenn wir das Tabu nicht durchbrechen, die Wirtschaft und ihre Aktivitäten so kritisch zu beurteilen, wie wir auch die Politik durch die Medien begleiten - es nützt da ja schon wenig genug.
Werbekampagnen sind Teil unseres Lebens. Wir nehmen sie wahr und unterhalten uns darüber, weit mehr als über Theaterinszenierungen oder Hörfunkprogramme, die in den Medien ausführlich besprochen werden. Jeder kennt „Geiz ist Geil“, kaum einer kann den Werbebeilagen mit den großen, doch vermeintlich billigen Preisen widerstehen. Wir lassen unser Fernsehprogramm von Werbung unterbrechen und wenn in einem Restaurant das Radio angeschaltet ist, kommt niemand auf die Idee, bei Werbeeinspielungen leiser zu drehen. Doch wann wird über Kampagnen berichtet? Wo wird Werbung als kulturelles Element verstanden und entsprechend besprochen?Wann wird kritisiert, der Wahrheitsgehalt von Werbeaussagen überprüft, die Aussage in Zusammenhang mit der Produktion des Produktes gestellt? Wo wird in journalistischer Qualität mit den Konkurrenten verglichen, wo findet Empörung ein Forum, wo kann Werbeinformation auch mal bestätigt werden?
Längst überfällig:
Die Werbesendung.
„Die Werbesendung“ wird ein regelmäßig gesendetes, aktuelles Format fester Länge im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Länge von 30 Minuten erscheint sinnvoll. Mittelpunkt jeder Sendung wird eine aktuelle Werbekampagne. Wir stellen die Kampagne, ihren Umfang (Printmedien, Werbespots, Außenwerbung) und ihre Macher vor, sammeln spontane Eindrücke bei „Konsumenten“(will sagen: ganz normalen Menschen) durch Umfragen oder bei Screenings, berichten über das beworbene Produkt und vergleichen mit Hilfe von Experten die Aussage der Kampagne mit dem tatsächlich zum Verkauf stehenden Produkt. Was will die Kampagne erreichen, was kann das beworbene Produkt überhaupt leisten?
Weiterhin beleuchten wir die gesellschaftliche Position und Relevanz des Produktes. Was für volkswirtschaftliche Folgen hat es zum Beispiel, wenn Konzerne wie Metro (SATURN, „Geiz ist geil“) beherrschende Marktpositionen gewinnen?
Wir vergleichen beworbene Produkte mit Artikeln der Konkurrenz bzw. „Mitbewerbern“ und berichten kritisch über die Produktionsvorgänge, insbesondere, wenn Produkte in Fernost oder anderen Niedriglohnländern hergestellt werden.
Wir wollen die Wirtschaft nicht per se verurteilen – auf gar keinen Fall. Wir alle sind Wirtschaft. Wir können auch gar nicht zwischen gut und böse unterscheiden. Keine Firma soll isoliert kritisiert werden, wenn ihre Kritik auch für die Mitbewerber gilt.
„Die Werbesendung“ soll aber Möglichkeiten bieten, bewusste Produktion und ehrliches Marketing zu belohnen – der Verbraucher soll schlicht die Mittel zur Hand haben, selbst zu entscheiden, was er kauft oder nicht, und sich äußern können, wenn durch Werbung manipuliert, polemisiert oder schlichtweg genervt wird.
Kann und darf es „Die Werbesendung“ geben?
Politische Pressefreiheit ist uns sehr wichtig und gilt als Grundvorraussetzungen moderner Demokratien – die Abhängigkeit der Medien von Werbezeit kaufender Industrie dagegen ist gesetzlich nirgendwo geregelt, für die gibt es auch wenig Problembewusstsein in der Gesellschaft. Wie auch? Es gibt keine starken und "lauten", von der Werbewirtschaft unabhängigen Institutionen. Wer soll denn ansprechen, dass die Medien mitnichten frei, sondern mit wenigen Ausnahmen auch von Werbekunden abhängig sind? Es gibt werbefreie Rundfunkkanäle und –sender, aber deren Stimmen sind ungleich leiser zu vernehmen als der werbefinanzierte Mainstream. Außerdem sind sie oft selbst durch ein kompliziertes Gefüge mit abhängigen Institutionen verbunden, auch ARTE und 3Sat beispielsweise mit den deutschen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die einen beträchtlichen Anteil ihres Budgets mit Werbeeinnahmen bestreiten. Auch die Politik ist von der Wirtschaft nicht unabhängig und nimmt Einfluss auf die Sender, obwohl deren Unabhängigkeit verfassungsrechtlich notwendig ist. Ich bin mir über diese Hintergründe bewusst. Trotzdem halte ich eine Sendung wie die hier umrissene für so notwendig und ihre Notwendigkeit auch für so einleuchtend, dass ich darauf hoffen darf, engagierte Redakteure, Politiker und Kreative zu finden, die ihre Umsetzung unterstützen.
Haben Sie gemerkt, dass ich diesen Text da nicht gerade eben live verfasst habe? Nein, ich habe ihn aus einem Exposé herauskopiert und rasch überarbeitet, das ich schon 2003 oder 2004 geschrieben habe. Ich sehe ja inzwischen gar nicht mehr fern und habe mich aus der täglichen Werbebeballerung ganz gut herausgezogen - aber das wäre mir immer noch ein Anliegen, für das ich zumindest eine Zeitlang den Wohnort wechseln und mich auf all die Kompromisse einlassen würde, die die Arbeit beim Fernsehen mit sich bringen würde. Redakteure: Rufen Sie mich an bzw. schreiben Sie mir!
würfel - 29. Jan, 10:13